Winter im heiligen Land:
Das Gegenteil von Israel
Von Schimschi Zahubi, Haifa
Die brütende Hitze, der heiße Sand, eine ausgefallene
Klimaanlage... Die Aufzählung fortzusetzen wäre kein Problem, denn hier
und jetzt geht es um ein Israel. So allerdings kennt es kaum ein Urlauber:
Der Regen trommelt aufs Autodach, die Strände sind verwaist, die Sonne
wärmt nur gelegentlich ein wenig, schüchtern, kann aber diese hautnahe
Kälte kaum verdrängen, denn wir befinden uns in Israel - im Winter.
Eigentlich ist es das Gegenteil von dem, was man in Israel
gewöhnt ist. Nach dem Regen glänzen die Strassen so hübsch gesäubert. Die
Sonne kommt zuweilen durch, trocknet alles schnell ab, nutzt das Loch
zwischen den Wolken und verschwindet alsbald wieder. Alles erinnert an
Karl Valentins Lied von den vier Jahreszeiten: "Wie wohl ist mir im
Herbst. Der Herbst der hat was eignes- ach wär' doch immer nur Herbst..."
Tatsächlich hat Israels Winter eine eigentümliche Faszination. Man kommt
aus der Kälte in die Wohnung, doch dort ist es noch um einiges kälter. Die
Klimaanlage wird auf Heizen geschaltet, der Mantel wird vorerst
anbehalten, der Wasserkocher wird betätigt, und man muss sich nicht, wie
sonst, völlig verschwitzt unter die kalte Dusche stellen.
Immer noch haben die meisten Häuser in Israel keine
Zentralheizung, dafür besteht auch bislang kaum Bedarf. Also wird
lediglich die Klimaanlage auf "Heizen" umgestellt oder ein zusätzlicher
Heizlüfter betrieben. Entsprechend hoch ist der Stromverbrauch, genau wie
im Sommer durch die Klimaanlagen. Warme Wintersachen, ein Jahr lang gut
versteckt, damit sie ab November wieder gefunden werden können. Grimmig
dreinblickende Israelis, dick vermummt an der Bushaltestelle, mögen jedoch
keinen Unterschied zu denen aufzeigen, die ebenfalls grimmig drein
blicken, wenn im heißen Sommer der Bus auf sich warten läßt. Die
Dimensionen einer ausgeprägten Figur lassen sich im Winter besser
verstecken, aber auch weniger gut vorführen, in diesem Bereich halten sich
Vorteile mit Nachteilen die Waage.
Das Paradies für den aufmerksamen Beobachter ist der
Strandbereich. Wenig von Badenden belästigt, döst der Sand unter schweren
Wolken vor sich hin. Zuweilen pickt ein Krähenvogel in nahrungsähnlichen
Müllknäueln herum, da leckt das Meer über die Schräge des Strandes hinauf
und das kluge Tier erhebt sich, es könnte doch der kleine Bruder der
indonesischen Welle sein. Nun ist solch eine Befürchtung nicht völlig
haltlos, wo doch aus der Ägäis Seebeben vor geraumer Zeit für größere
Veränderungen gesorgt hatten. Der Vulkan auf Santorin hatte sicherlich für
heftige Wellenberge gesorgt, nur damals war die Medienlandschaft noch
nicht ausgeprägt, und auch der Tourismus hatte schwer für seine Definition
zu arbeiten: es gab ihn halt noch nicht.
Bei
heftiger Winterflut gelingt es dem Meer zuweilen, dem Friedhof von Naharia
im Norden Israels einen unerwarteten Besuch abzustatten. Bislang ist
jedoch noch keiner von den Verblichenen davongetragen worden. Eher schon
kann das den tapferen Winterschwimmern aus der früheren Sowjetunion
passieren, die auch um diese Jahreszeit auf ihr Bad im Meer nicht
verzichten. Frisch benässte Strassen
ärgern die Autofahrer und die Unfallquote steigt merklich an, was jedoch
jedes Jahr um diese Zeit die Regel darstellt. Hat man seine "Feuertaufe"
in Form eines Regenblechschadens hinter sich, so vermag man in Zukunft als
vorsichtiger Autofahrer zu glänzen, doch die Zuwachsrate an Fahranfängern
wird dafür sorgen, dass in der Unfallstatistik keine Winterdelle auftritt.
Jeder wird wohl erst aus eigenem Schaden klug werden.
So kann man in Israel seine Regenkleidung auf Dichtigkeit
prüfen, seine Schuhe durch die Pfützen prügeln und noch innerhalb der
Garantiezeit den Umtausch vornehmen. Doch dies wäre kaum als Vorteil eines
Urlaubs im Winter in Israel anzuerkennen. Eher, dass der Strand so schön
leer ist und dass man nicht so oft seine durchgeschwitzte Wäsche wechseln
muss. Im Rückblick mag ein Urlaub im
Januar in Israel etwas für den Freund ausgefallener Motive sein, für den
Fotografen der die Stimmungen aus bedrohlich schwarzen Wolken und
schaumkronenbehafteter Wellen zu würdigen weiß, aber auch jene Stimmungen
schätzt, die solche klimatischen Voraussetzungen bei sich selbst
auszulösen vermögen. Fotos: Winter
am Strand von Tel Aviv
© haGalil onLine
hagalil.com 19/01/05 |